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MICHAEL VOGELEY

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Mit den Djeballahs zum weißen Gold der Pharaonen

Auf der Suche nach Alabaster durch die Bergwildnis der Libyschen Wüste. Von Michael Vogeley für AlpOnline

Noch heute wird die jahrtausende alte Kunst der Alabasterbearbeitung gepflegt. Das gipsartige Gestein wird von den Djeballahs, den „Männern der Berge“, aus den lybischen Wüstengebirgen geholt und von ägyptischen Handwerkern mit primitiven Werkzeugen zu Kunst und Kitsch verarbeitet.

Eigentlich wollte ich in Ägypten bergsteigen. Meiner Frau zuliebe steuerte ich – wie jeder Tourist – das berühmte Tal der Könige in der Nähe von Luxor an – und fand nicht nur die Pharaonenzeit gegenwärtig, sondern auch eines der letzten, unverfälschten Bergvölker in Afrika. Im ehemaligen Theben weht der Atem der Antike: Seit viertausend Jahren pulsiert diese Stadt, deren Tempel, Paläste und Gräber sich im ewigen Nil spiegeln. Hier wird noch immer Alabaster, einer der bedeutendsten Werkzeugstoffe der Pharaonen, in zahlreichen Handwerksbetrieben zu Kitsch und Kunst verarbeitet. Wo aber wird das gipsartige Material gewonnen? Und wie wird es zu den Werkstätten transportiert? Die Fragen waren erstaunlich leicht zu beantworten: Seit Jahrtausenden ziehen die Djeballahs, die „Männer der Berge“, auf Eseln unter den sengenden Strahlen der Wüstensonne über das unwirtliche, zerrissene Limestone-Plateau ins Gebirge und brechen das begehrte Gestein aus dem Fels, heute wie zu Zeiten der Pharaonen. Wir begleiteten als erste Europäer eine solche Karawane und dokumentierten ein Jahrtausende altes Relikt. Voll Hochachtung über die Leistungen der Tiere und der „Berg-Menschen“ kehrten wir in die Zivilisation zurück.

Out of Luxor

Der Schmerz in meiner linken Brust ist höllisch, als ich in scharfkantige Geröllblöcke knalle und mir die fünfte Rippe anknackse. Nur der Rucksack auf meinem Rücken verhindert, dass ich mir das Kreuz breche. Der um meinen Kopf geschlungene, drei Meter lange Baumwollschech dämpft den größten Aufprall, als mein Schädel gegen einen Stein schlägt. Das Stakkato der kleinen, harten Eselshufe dröhnt in meinem erschütterten Hirn. Gleichgültig ziehen die schwerbeladenen Tiere an mir vorbei. Humpelnd, die Hand an die Rippe gedrückt, haste ich durch scharfkantiges Geröll meinem Reitesel hinterher. Das brave Tier kann nichts dafür, dass ich nach 36-stündigem Ritt auf seinem Rücken eingeschlafen bin. Wenn es dem Esel zu wohl wird…

Seit Jahrtausenden unverändert: Wie zu Zeiten der Pharaonen zieht die Karawane über das Fels- und Sandmeer des Limestone-Plateaus.

Mein Freund Serge, Franzose, expeditionserfahrener Bergführerausbilder aus Chamonix und Mount-Everest-Besteiger, den ich für diese verrückte Idee gewinnen konnte, treibt seinen Esel mit den Hacken und dem Ruf „donkey“ an. Lächerlich schleifen Martins lange Beine am Boden entlang. Klaglos trägt der kleine Graupelz den fast zwei Meter großen und 90 Kilo schweren Mann, den ich beim Klettern im Schwabenjura schätzen lernte. Er dokumentiert mit seiner Kamera unsere Karawane durch die Bergwildnis Wüste, die wie zu Pharaonenzeiten, unter primitivsten Bedingungen, das seit Jahrtausenden begehrte Alabaster aus der Lybischen Wüste holt. Stein galt den Ägyptern als Inbegriff der Ewigkeit – ihm war die gesamte Kunst gewidmet. Hinter einer nüchternen chemischen Formel verbirgt sich Alabaster, das „Weiße Gold der Pharaonen“, ein helles, durchscheinendes, feinkörniges und polierfähiges Material, das seine Namen von der antiken oberägyptischen Stadt Alabastron erhielt. Durch seine Struktur, die leicht zu bearbeiten ist, war es bevorzugter Werkstoff der bildenden Kunst. Das Gestein wurde zu Gefäßen, Lampen, Porträtköpfen und Kanopen verarbeitet, zu Vasen, Urnen und Reliefs – vielbewunderte Kunstschätze. Weiß dominiert. Aber auch Grau, Gelb, Grün oder Rot.

Herausragendes Beispiel sind Objekte aus Tutenchamuns Grab, die im Ägyptischen Museum in Kairo bewundert werden können. Das Gipsgestein Alabaster war wegen seiner Seltenheit und weil es meist nur im unwirtlichen Gebirge zu finden war und wegen Haltbarkeit besonders geeignet, zum „Gestein der Pharaonen“ erhoben zu werden.

Karawanen: Morgen gibt es sie nicht mehr!

Als ich neugierig im Brockhaus nachschlage, finde ich folgende nüchterne Definition, die trotzdem das Abenteuer ahnen lässt: „Karawane (pers. ‚Kerwan‘, ‚Kamelzug‘, ‚Reisegesellschaft‘), … Gesellschaft von Kaufleuten und Pilgern in unwirtlichen … Gebieten… Die K. nehmen seit alter Zeit immer wieder denselben Weg. Sie kommen und gehen … und verwenden Trag- und Reittiere, die der Umwelt angepasst sind…“

Viele Schriftsteller hat das Thema fasziniert. Durch Karl May wurde meine kindliche Phantasie angeregt. Sven Hedin dokumentierte sie in seinen Büchern, und Heinrich Harrer hat an ihnen teilgenommen und über seine Abenteuer in Büchern berichtet. Wir drei Europäer sind uns einig: Wir wollen bei diesem Abenteuer keine Voyeure sein, sondern als Mitglieder der Karawane ihre Arbeit mitverrichten und ihre Mühsal teilen.

Ich blicke zu den Freunden hinüber. Die glühende Sonne brennt auf Serges weißen Turban, den er aus einem Bettuch gewunden hat. Sein hageres Gesicht ist vom Staub wie gepudert. An Martins Wange zieht ein Schweißtropfen eine schmutzige Spur. Die Sonne steht im Zenit und erhitzt das flirrende Gestein. Die Djebellahs, die „Männer der Berge“, unsere Begleiter, sind in ihrem Element. Ungeachtet der Hitze reiten sie auf ihren Eseln, springen gewandt auf und ab, helfen den Lasteseln über schroffe Blöcke, schwingen ihre Bambusstöcke und treiben die müden Tiere gnadenlos an. Für uns ist der exotische Alltag der Karawane – eine Handvoll Männer und zwanzig Esel, die durch die bizarre Felswildnis der flirrenden Wüste ziehen – eine Herausforderung. Die Karawane bricht vom legendären Tal der Könige auf, ganz in der Nähe des unscheinbaren Grabs Tutenchamons.

„Die Wüste ist ein kaltes Land, in dem es auch heiß werden kann.“ Bei den Biwaks spüren wir, dass dieser Ausspruch wahr ist. Dabei ist unsere Ausrüstung wesentlich besser als die der Djeballahs, die das Abenteuer Gebirgswüste Tag für Tag mit primitivsten Mitteln bestehen.

Howard Carter entdeckte 1922 die unverletzte Grabkammer – eine Weltsensation. Unter den erstaunlichen Schätzen befanden sich neben mehr als zwei Tonnen Gold auch hervorragende Alabasterkunstwerke. Tagsüber ist die berühmte Schlucht vollgepresst mit Touristenbussen und quirligen Menschen. In der Nacht ist sie verweist und nur noch Wüste. Prall steht ein verwunschener Vollmond am Himmel und beleuchtet grell die Packesel, die durchtrainierten, hageren Männer in ihren weiten Gewändern und die zerrissenen Felsen. Erst treiben wir die Esel 400 Höhenmeter über einen steilen, unwegsamen Pfad hinauf zur Hochebene des Limestone Plateaus, später können wir reiten, und die Tiere spielen ihre traumwandlerische Trittsicherheit im unwegsamen Gelände aus. Wie geht es weiter? Wie werden sich die Djeballahs in dieser Felswüste orientieren? „Wir werden in drei Tagen etwa 200 Kilometer reiten!“ behauptet Hamdy, ihr Führer.

Oft trabe ich im Dauerlauf durch die Felsblöcke, eingehüllt in eine Staubwolke, neben der Karawane her. Lieber in Bewegung sein, als sich wie in zwei Teile gespalten zu fühlen, weil die Beine immer länger werden. Nie werde ich mich an das steigbügellose Reiten auf dem harten Strohballen, der ein Sattel sein soll, gewöhnen. Höher geht es, immer höher. Um drei Uhr morgens stoppt Abdullah mit einem langgezogenen „Hoooo!“ den Treck und springt von seinem Esel. Wir werden bis zum Sonnenaufgang rasten. Zwei Stunden köstlicher Schlaf erwarten uns, Balsam für Muskeln und Sehnen. Die Alabaster-Männer hüllen sich nur in ihre zerlumpten Decken. Martin, Serge und ich schütteln unsere Schlafsäcke auf und legen uns ins Geröll. Die Esel stellen sich einfach hin und dösen…

„Come on! Quick! The sun is coming!“ Hamdy treibt uns aus den Säcken. Glutrot steigt der Sonnenball über die schroffen Berge höher und höher, gewinnt mehr und mehr Kraft und heizt unser kaltes Lager auf. Bevor wir in unsere Schuhe schlüpfen, klopfen wir sie an einem Felsbrocken aus – Skorpione verkriechen sich gerne in Schuhen und in den schweißdurchtränkten Socken.

Schon leuchten die beeindruckenden Canyons in der Sonne. Das Tafelgebirge mit seiner weiten Hochebene ist von erodierten Schluchten durchfurcht. Sandfelder wechseln mit harten Felsplatten. Die Luft flirrt in der Hitze.

Bar bela mar: Meer ohne Wasser

– so nennen die Araber die Wüste. Endlos, bis zum Horizont, nur Steine: Wüste ist vor allem Fels. Vor Äonen war die Sahara ein wirkliches Meer. Im algerischen Hoggar kletterte ich. Auch hier reiten wir über harten Fels, der von Ammoniten übersät ist, versteinerte prähistorische Lebewesen: Muscheln, Fische, Pflanzen. Wieder sind wir fünf Stunden auf unseren Tieren geschaukelt. Das Hinterteil fühlt sich wie rohes Fleisch an, die Beine sind lahm, und der Durst wird unerträglich. Dann, endlich! Die Tiere verharren vor einem Abbruch, der Rand des Limestone-Plateaus ist erreicht. Das Gebirge verebbt wellenförmig in der Kieswüste des Reg und den Sanddünen des Erg. Hundert Kilometer liegen hinter uns – aber auch wieder vor uns. An der Kante des Gebirges beginnt die eigentliche Arbeit für die „Männer der Berge“. „Djebel“ heißt arabisch „Berg“. Hier ist die traditionelle Fundstelle des Alabasters.

Die „Djeballahs“ satteln ihre Esel ab, schwielige Hände packen primitive Werkzeuge: Brechstangen, handgeschmiedete Hämmer und Spitzhacken.

Leichtfüßig klettern die hageren Gestalten die steile Flanke des Berges hinab. Stundenlang dröhnt es, poltern Steine, hört man das Ächzen und Stöhnen der schwerarbeitenden Männer. Fünf Stunden lang brechen sie in der Hitze des Tages bis zu 50 Kilogramm schwere Alabasterblöcke aus den Kalkschichten. Barfuss klettern sie über raues Geröll, treiben Brechstangen in den Fels und lösen aus dem Trägermaterial die unscheinbaren wertvollen Gesteinsbrocken: Alabaster, das „weiße Gold der Pharaonen“. Mohammed, der 60-jährige spindeldürre Treiber, klopft die rauen Blöcke in handliche Stücke, entfernt rundum mürbes Gestein, bis ein heller, milchig-weißer Block geformt ist. Die fußballgroßen Steine werden auf die dürren Schultern gewuchtet und zu den Eseln geschleppt, die in der Sonne lethargisch dösen. In grobmaschigen, selbstgeknüpften Netzen laden wir die Alabasterrohlinge auf die Leiber der schnaubenden Tiere. Eine Last von 120 Kilogramm ist für einen Esel normal.

Wir arbeiten mit den Djeballahs – das war unsere Idee. Als ich beladen mit einem 20 Kilogramm schweren Stein den Plateau-Rand erreiche, bin ich schweißgebadet. Abdullah steigt mit der gleichen Last hinter mir auf und lächelt mich mit blitzenden Zähnen an. Wieselflink und konditionsstark klettert er mehrmals die steile Felswand hinauf. Für ihn, der die Mühsal im Gebirge gewohnt ist, ist es unverständlich, dass ein Fremder, ein Giaur, diese Strapazen freiwillig auf sich nimmt.

Djeballah: Die Männer der Berge

„Warum?“ scheint sein Blick zu fragen. Ich betrachte seine dünnen, aber sehnigen Arme. Der schwarze Schnurrbart verleiht dem kühnen Gesicht unter dem grauen Turban etwas Martialisches. Nach europäischem Geschmack sind seine klaren Züge männlich schön. Als er beobachtet, dass auch der himalayaerprobte Serge seine Last nach oben trägt, sehe ich Respekt in seinen dunklen Augen. Mohamed, der junge Chef, zieht sein weites Gewand zurecht und bindet den Schech neu. Seine Hände sind aufgerissen, die Fingernägel kurz, stumpf und gebrochen. Breite Füße ragen unter dem Kaftan hervor, der gar nichts Lächerliches – oder Weibisches – an sich hat. Es sind stolze Gestalten, die „Männer der Berge“. Wie lange wird es dieses Gebirgsvolk noch geben?

Esel: Hochleistungssportler durch Ansporn

Kaum sind die Esel beladen, schwingen die Djeballahs ihre Peitschen und treiben sie zur letzten Hochleistung an: Nur heimwärts, zurück zu den Frauen und den Kindern, zum Wasser.

Bis zu 120 Kilogramm Alabastergestein werden den Eseln aufgeladen. Sie tragen diese enormen Lasten trittsicher durchs Gebirge, obwohl sie unter den Lasten wanken. Noch sind es 100 Kilometer bis zum Wasser!

Das beeindruckende Panorama der Sandwüste versinkt am Horizont. Wieder sind es hundert Kilometer durchs Gebirge – mit nun voller Last. Der lange Treck durch grobes Geröll beginnt. Mensch und Tier werden an die Grenze der Belastbarkeit kommen. „Hamdy! Abdullah!“ Mohamed brüllt zu den beiden hinüber und flitzt wie eine Bergziege über das raue Geröll. Ein Esel ist gestürzt, liegt bewegungslos unter seiner Steinlast und kann sich nicht erheben. Mit dieser Last ist es unmöglich, ohne Hilfe wieder auf die Hufe zu kommen. Zu viert heben wir das Netz mit den Steinen an und helfen dem Langohr.

Die Tiere sind Hochleistungssportler. Sie, die in Relation zum Körpergewicht, enorme Lasten tragen, sind die wahren Helden dieser Karawane.

Biwak: Unter dem Vollmond

Es dämmert, als unser Treck eine kleine, vom Wind geformte Felshöhle erreicht. Bald prasselt ein Feuer aus dürrem Dornengestrüpp und erwärmt die eiskalte Nachtluft. Wir sind kaum tausend Meter hoch, aber hier im Gebirge wird es im Februar nachts eiskalt. Die Treiber hüllen sich in ihre weiten Gewänder, wir schlüpfen in dicke Pullover. Beim flackernden Flammenschein kommen sich zwei Kulturkreise näher und versichern sich gegenseitig ihre Hochachtung. Während wir diese harten Männer bewundern, die in einer feindlichen Umwelt und mit Mühsal ihren Lebensunterhalt verdienen, haben wir ihre Achtung errungen. „Ihr seid nicht so wie die Touristen, denen wir in Luxor tagtäglich begegnen“, behaupten sie. „Wir sind Bergsteiger“, versuchen wir erfolglos zu erklären. Für die Djeballahs ist die Bergwüste ein Arbeitsplatz. Ihre Schönheit bleibt ihnen verschlossen. Freiwillig würden sie nie die Felsen und Hochebenen aufsuchen. Wofür?

Wir teilen ein einfaches Abendessen aus Fladenbrot und Früchten, lassen die Wasserflasche kreisen, blicken in das Spiel der Flammen, das sich in den hellen Kalktafeln widerspiegelt und genießen den Duft der Wasserpfeife. Mohamed erzählt lebhaft von der Kobra, die er an diesem Biwakplatz beim letzten Ritt erschlagen hat. Der arabische „Halbmond“, heute wie gestern ein Vollmond, beleuchtet eine Stimmung „… Lawrence von Arabien“, mit dem Unterschied: Dies ist kein Film, es ist Wirklichkeit. Während ich fröstelnd den Schlafsack enger ziehe, erinnere ich mich an die Worte von St. Exupéry: „Die Wüste ist ein kaltes Land, in dem es auch heiß werden kann.“ Trotz der Müdigkeit blicke ich fasziniert zum Sternenhimmel, der wie ein weißes Vlies das Firmament bedeckt. Dann schlafe ich auf dem harten Geröll erschöpft ein.

Daheim: El-Korna

Beim ersten Licht des Tages beladen wir im Schatten eines Felsturmes die Esel. Dann reiten wir direkt in die aufsteigende Sonne, die den Himmel glutrot färbt. Die Hitze steht. Staub verkrustet Mund und Rachen, der Durst wird unerträglich, unsere Muskeln gehorchen nur noch schwer.

Plötzlich schreit Serge: „Luxor!“ Er hat das grüne Band der Oasen und die bleichen Flecken der Häuser im Dunst entdeckt. Die berühmten Tempel sind nur zu ahnen. An der Abbruchkante des Hochplateaus öffnet sich der Blick auf das schmale, grüne Band des Niltals inmitten der Wüste. Dort gibt es Wasser! El-Korna, das Dorf, am Rande eines glühenden Gebirges, scheint zum Greifen nahe. Die weißen Schmetterlingssegel der Feluken leuchten auf dem Fluss. Woher nehmen die zierlichen Tiere die Kraft zum steilen Abstieg, nach einem mörderischen Ritt über 200 Kilometer?

Das Fest: Trommeln, Hammel und Cous-Cous

Steil geht es hinab. Immer wieder helfen wir den überladenen Eseln über glatte Felsplatten und zerrissene Erosionsfurchen. Am späten Nachmittag schlendern wir in das kleine Dorf. Der Muezzin ruft vom brüchigen Minarett sein „Allah akbar!“, Gott ist groß. Die Felswände echoen den Singsang. Müde wanken die Tiere durch die staubigen Gassen mit den einfachen Lehmhütten. Meine Kehle ist trocken, ich spüre die Erschöpfung. Serges Gesicht ist eingefallen, Martin hängt auf seinem Tragtier. Obwohl wir nicht gerade auf der „alpinen Brennsuppe“ daher geschwommen sind, was heißt, dass wir uns in den Bergen der Welt herumgetrieben haben, sind wir geschafft und entwickeln fast eine Art Ehrfurcht vor diesem Bergvolk. „Salam!“ Die Djeballahs scheinen nicht müde zu sein. Sie scherzen lebhaft mit den kichernden Frauen und begrüßen ihre fröhlich lärmenden Kinder. Wenig später sitzen wir in Hamdys Haus, trinken Tee, trinken, trinken…

Samtschwarz und mild steigt die Nacht auf. Tam-tams dröhnen. Geigenklänge, für europäische Ohren unmelodisch, gellen durchs Dorf. Die Flammen des Feuers werden von den Kalkwänden reflektiert. Eine Kapelle spielt auf. Hammelfett tropft und Kinder tanzen um uns „Giaurs“. Wir lehnen uns auf den einfachen Holzbänken zurück, lachen in die frischgewaschenen braunen Gesichter unserer Freunde und wissen, dass wir eines der letzten, ursprünglichen Bergvölker erlebt haben, etwas, was vor uns noch kein Europäer, kein Bergsteiger, mitgemacht hat: die Alabaster-Karawane durch die Gebirge der Libyschen Wüste. Das macht uns glücklich, aber auch nachdenklich: Wie lange wird dieses Bergvolk noch existieren?

© 2001, AlpOnline


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