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MICHAEL VOGELEY

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Wandern, wo Barbera und Barolo fließen

Schlemmen und Schwitzen im Piemont

Von Ingrid Ferschoth-Vogeley (Text) und Michael Vogeley (Fotos) für AlpOnline

Faul liegen wir im Gras und blinzeln zufrieden in die Sonne. Eine mehrtägige Wanderung durch ein Land, wo berühmter Wein wächst und köstlich gekocht wird, ist eine neue Variante sonst spröder Trekkingtouren. Klaus, unser Freund, hat die Reise in erster Linie wegen der guten Tropfen und des Besuchs der bekannten Piemonteser Weinorte vorgeschlagen. Wir bedauern unsere Zustimmung keineswegs, denn die bisherigen Tage auf Schusters Rappen waren in jeder Hinsicht ein Genuss ohne Reue

Vergessen ist der staugeprägte Anreisestress von Deutschland. Kaum in Verduno angekommen, verstanden wir, dass „Agriturismo“ ein Zauberwort sein kann. Unter dem Apfelbaum unseres ersten Domizils Ca'del Re, einem ehemaligen Bauernhof mit nunmehr vier komfortablen Doppelzimmern, schlürften wir genüsslich den ersten Roten. Hier ist Anfang und Ende unserer viertägigen Trekkingtour.

Barolo

Vogelgezwitscher holt uns am ersten Tag aus den Federn. Das Frühstück ist üppig. Der Höhepunkt: ein harter Käse mit 50 (!) Jahre alter Traubenmarmelade. Erwartungsvoll schultern wir die erträglich schweren Rucksäcke und starten in den sonnigen Morgen. Kaum haben wir die engen Gassen des mittelalterlich anmutenden Dorfes verlassen, öffnet sich vor uns das Panorama der weingebirgigen Hügellandschaft. Wir vergleichen unsere Route auf der Karte mit der Wirklichkeit der flimmernden Ebenen und wogenden Hügel. Unser geplanter Weg, ein Rundkurs, lässt sich ungefähr ausmachen. Fast immer liegen unsere Tagesziele auf einer der Kuppen der malerischen Hügel.

Zügig schreiten wir über einen breiten Weg, der mitten durch die Weinberge führt. Das Gelände bietet keine Schwierigkeiten. Eher schon die Entscheidung, wo wir Siesta machen wollen. Ein letzter Bogen um einen schönen muschelförmigen Weinberg, und das hübsche Städtchen La Mora ist erreicht. Hochnäsig sitzen wir unter Bustouristen, die staunend auf unsere dicken Rücksäcke und dreckigen Wanderschuhe blicken. Sie haben uns schon die leckersten Gerichte aufgegessen, so dass wir mit Pasta und Vino zufrieden sein müssen, was keine schlechte Alternative ist.

Wir wollen hier nicht zu lange bleiben, denn unser nächstes Ziel Barolo lockt mit Schloss und Enoteca. Ein Muss für unseren Weinkenner Klaus. Gegen Nachmittag brennt die Sonne vom südlichen Himmel. Wir sind froh, dass unser Weg sich durch als schattiger, baumbewachsener Pfad entpuppt. Dann weitet sich der Blick über die Weinberge, die alle berühmte Lagen sind, den Kenner mit der Zunge schnalzen lassen und bekannte Namen tragen.

Die Cascina Sciulum, unser Nachtquartier, finden wir unter den verstreuten Weingütern nicht auf Anhieb. Während wir einen der staubigen Hügel ersteigen, schließen wir Wetten ab, welches der idyllisch da liegenden Anwesen das richtige ist. Bei bester Laune, staubig und müde fallen wir schließlich in den richtigen Bauernhof inmitten der Weinfelder ein. Die Sonne geht blutrot unter, und wir schauen verzaubert in die Weite. Wie Perlen einer Kette reihen sich die Weinberge bis zum Horizont, und von den Höhen der Hügel grüßen kleine Dörfer und trutzige Castellos.

Das Weingut hat nur zwei Gästezimmer. Ansonsten produziert der Familienbetrieb Wein und Grappa. Und das in großartiger Qualität! Artig lassen wir uns durch die Keller führen und von dem freundlichen Winzer alles über seine Rebsorten, das Keltern und Abfüllen des Weines erklären. Theoretisch eingestimmt folgt am Abend eine zünftige Weinprobe mit einem kalten Buffet aus besten piemontesen Wurstsorten, frischem Hofbrot und würzigem Käse. Am nächsten Morgen stellt die Signora erstaunt fest, dass wir alle Probierflaschen ordentlich geleert haben. Alle! Wandern macht durstig.

Nebbiolo

Der zweite Tag weckt uns mit einem strahlenden Morgen. „Ja, das sind Nebbiloreben, aus denen wird bester Barolo gemacht“, bestätigt der Alte schmunzelnd und bindet die Stöcke mit Weintrieben an Drähten fest. Der Blick schweift über die endlosen Weinfelder. Jetzt, wo das Wachstum einsetzt und die Triebe zu sprießen beginnen, bedürfen die Stöcke ständiger Pflege.

Wir haben die Rücksäcke ins Gras geworfen und studieren Karte und Panorama. Die Kuppe mit der Festung Castiglione Falletto haben wir gestern schon bestiegen. Heute konzentrieren wir uns auf den gegenüberliegenden steilen Hügel, an dessen Fuß unser nächstes Ziel Montforte d'Alba liegt. Die Wanderung hinauf zur alten Kirche am höchsten Punkt des Ortes bietet einen großartigen Rundblick.

Dann trekken wir durch eine üppig grüne Landschaft. Ein schmaler Pfad windet sich an einem kleinen Bach entlang gut erkennbar Hügel aufwärts. Blumen blühen am Wegesrand, und die freundliche Bäuerin schenkt uns ihre ersten Kirschen. Wir kommen gut voran. Für einen geübten Wanderer ist diese Strecke gut machbar. Allerdings treibt uns die Sonne und das ständige Auf und Ab des Weges den Schweiß auf die Stirn, die Beine müde und den Magen hohl. „Hier hilft nur eine piemontesische Rast“, verkündet Klaus überzeugend.

Im Schatten eines mächtigen Apfelbaumes werden die Rücksäcke ausgepackt und die Köstlichkeiten des Landes auf dem Biwaksack zu einer beeindruckenden Tafel drapiert. Haben es anderswo Gourmets schwer – in den Alba-Bergen sind es Asketen, die leiden müssen! Die Versuchung leiblicher Genüsse ist allgegenwärtig. Erschöpft sinken wir nach dem Imbiss mit dem blutrotem Barolo zu einem Schläfchen ins hohe Gras. Bienen summen und arbeiten kräftig, um den würzigen Honig zu produzieren, den wir löffelweise zum Nachtisch auf die dick bestrichenen Butterbrote streichen. Das helle Pfeifen der Schwalben und das Gekreisch von Kinder, die einander in einem nahen Garten jagen, verscheuchen am Spätnachmittag unsere satte Müdigkeit. Schnell sind die Rucksäcke wieder geschultert, schließlich wollen wir heute Abend noch die Burg in Serralunga besichtigen. Die Burg soll sehr schön erhalten sein und da der Eintritt frei ist, wollen wir uns selbst ein Bild der mächtigen Anlage machen. Solche nützlichen Tipps kann man online finden, auch dem einen oder anderen empfohlenen Weinlokal werden wir vielleicht noch einen Besuch abstatten.

Toma delle Langhe

Unser dritter Trekkingtag ist kilometermäßig der kürzeste. Da trifft es sich gut, dass berühmte Weingüter auf unserer Route liegen. Schon sehen wir in der Ferne eindrucksvoll das Gut Fontanafredda inmitten von Rebenhänge liegen, die das stolze Landgut wie ein Amphitheater umgeben. Sie bilden einen aquarellfarbenen Rahmen für die braun und ockergelb bemalten Gebäude.

Klaus wird schnell, sehr schnell, immer flotter. Er doziert begeistert über die Nebbiolorebe, aus der berühmter Barolo gekeltert wird. Unsere Wanderschuhe sind staubig von den „gelben Böden“, auf denen die berühmten Trauben, gehegt und gepflegt, prächtig gedeihen. Wieder sind unsere Kehlen erwartungsvoll trocken, als wir uns im Park mit einigen Flaschen zum Picknick niederlassen. Beim Korkenziehen erinnert unser erwartungsvoller Speichelfluss an Pawlowsche Hunde. Unter den jahrhundertealten Bäumen ist es schattig, und zum Rotwein schmeckt der Toma delle Langhe, der einheimische Käse, köstlich.

Noch haben wir ein weiteres Highlight vor uns. Wir schlendern durch eine kühle Talsohle, in dem Pappeln und Weiden eine undurchdringliche Wand bilden. Auf dem gegenüberliegenden Hügel liegt das mittelalterliche Schloss von Grinzane, ein turmbewehrter Koloss aus dem 14. Jahrhundert mit eindrucksvollem Rundblick. Am Burgtor folgen wir der Aufforderung „Avanti“ sofort und decken uns in der Enoteca mit Wein bis zum Herbst ein, der für eine gediegene Kaufentscheidung vorher ausgiebig probiert werden muss.

Arneis

„Das könnte mir gefallen“, denke ich mit schwerem Bauch und alkoholisch-leichtblütig, als wir auf schattigem Pfad Reiter und Ross begegnen. Gerade haben wir ein Mohnfeld von Monet'scher Schönheit durchstreift, und Michael hatte uns mehrmals den Hang hinaufgeschickt, um besonders schöne Photos zu schießen. Da wäre so ein Ritt Hügel aufwärts sehr erholsam und kraftschonend. Wir sind ein wenig wehmütig, da heute unser letzter Tag in dieser zauberhaften Landschaft ist.

Bei einem Bauern machen wir Bekanntschaft mit dem ersten „Weissen“, dem unheimlich süffigen und fruchtigen Arneis. Einige Blasen haben wir uns gelaufen, erstaunlicherweise keine Kopfschmerzen geholt und die weggewanderten Kalorien überreich ersetzt und in einige Kilo Körpergewicht umgewandelt. Es war eine Genusswanderung durchs italienische Schlaraffenland.

Auch heute brennt die Sonne wieder vom Himmel und bietet Grund genug für eine genussvolle Siesta. Wieder tappen wir in die Falle für unvorsichtige Esser, zu viel Antipasti, den Rinderbraten in Barolo schaffen wir kaum noch. Ein letztes Mal sitzen wir auf einem Logenplatz mit Blick über die Weingärten und Hügel während uns der Kopf schwirrt. Von Arneis, Dolcetto, Barbera und Barolo.

Selbstverständlich nur wegen der Vielfalt der Namen!

© 2001, AlpOnline


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