MICHAEL VOGELEY
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Text und Fotos: Michael Vogeley und Ingrid Ferschoth-Vogeley für Schwarz auf Weiss
Wer kennt den Namen der Kleininselwelt östlich der Philippinen und nördlich von Neuguinea? In der Sprache der Einheimischen heißt die seltsame Inselwelt Belau. Ingrid und Michael waren in diesem einzigartigen Minikosmos der mikronesischen Südsee, paddelten an unberührten Riffen und langen Sandstränden entlang, vorbei an Mantas und Haien. Ihr Zelt stand unter himmelhohen Felswänden und am Rande tropischer Urwäldern. Das Paradies zählt zu den reizvollsten und einzigartigsten Kanuzielen im Stillen Ozean. Der Reiz der 343 Inseln gipfelt in den aus Korallenriffen gewachsenen Rock Islands, die zum Pflichtprogramm jedes Kajakbummlers gehören sollten. Die winzigen Eilande ragen wie üppig bewachsene Pilzköpfe aus dem in zahllosen Grün- und Blautönen schimmernden Meer. Nicht von ungefähr tragen sie den Beinamen „Green Gardens“. Tropische Urwälder bilden märchenhafte Szenerien. Mystische Höhlen und klare Süßwasserseen versetzen den Paddler in ein anderes Universum. Die Welt der Tropen vom Feinsten. Mit seinem einmaligen Panorama und den perfekten Riffen und Höhlen zählt Palau für den naturfaszinierten Kajakfahrer zu den attraktivsten Destinationen der Welt. Die Inseln sind gegen die mächtige Brandung durch ein ovales Korallenriff geschützt: Seepaddlers Traum schlechthin.
Das Meer ist ruhig. Nur leichte Wellen kräuseln das klare, tiefblaue Wasser. Vor mir im Seekajak „rührt“ Ingrid vergnügt „in der Suppe“, wie ich sie geduldig kritisiere. Sie macht einige Schläge und blickt dann begeistert in die Runde, während ich mit einem Konter versuche die Fahrtrichtung zu halten. Backbord steilt sich eine kleine Insel auf. Die Felsen aus allerbestem Kalk sind von Wind und Wetter erodiert.
An der Wasserlinie, die ständig von Ebbe und Flut und den Wellen bearbeitet wird, haben sich tiefe Höhlen gebildet. Sie erinnern an die berühmten „Elefantenfüße“ des südfranzösischen Wildflusses Chassessac. Seit Tagen sind wir dem Zauber dieser seltsamen Inselwelt erlegen. Und ihren Stränden, die zu den schönsten gehören, die wir je erlebten.
Augenlider und Tränensäcke sind angeschwollen. Die Äquatorsonne ist auf 8 Grad Nord besonders intensiv und strahlt mittags fast senkrecht vom Zenit. Gestern haben wir leichtsinnig vergessen, ein Sonnenschutzmittel aufzutragen, und nun hat uns eine Allergie erwischt. Nur mein wüstenerprobter Schech und Ingrids balinesisches Kopftuch verhindern, dass wir auf diesem wässrigen Brennglas einen Sonnenstich bekommen. Was wir je an Träumen und Wünschen in uns hatten, wird erfüllt: Schwimmen in einem warmen Meer, Hitze ohne Qual unter einer ewigen, nie erkältenden Brise, schwankende Palmen unter einem Azurhimmel, blühende Büsche. Weiß der Brandungssaum inmitten eines schier unendlichen Horizonts, da, wo das Riff die Lagune vor den Wogen des Ozeans schützt.
Mini-Inseln ohne fünf Sterne – aber mit fünf Diamanten
Das Innere des großen Atolls ist einer der schönsten Flecken der Erde. Im glasklaren, flachen Wasser spiegeln sich unzählige fünfarmige Seesterne. Die Rock Islands südwestlich der Hauptinsel Koror, „ein zu Stein gewordenen Traum im Meer“, sind mehr als einen Superlativ wert. Hunderte von Karstinseln wachsen aus den blauen Fluten, tragen dicke grüne Überwürfe und „weinen“ Stalaktiten, die wie elegante Elefantenrüssel an den Felswänden hängen. Eine fantastische, zauberhaft schöne Welt aus gelbem Kalkstein, grünem, durchsichtigem Wasser und undurchdringlichem Urwald. Palau besticht durch die Vielfalt seiner einzigartiger Flora.
Tropische Urwälder bedecken den Großteil der Inseln. Wir gleiten vorbei an Kokospalmen – natürlich – und Eisenholz- und Gummibäumen. Nicht weit vom Strand glucksen Sümpfe, in denen Taro angebaut wird, dessen Wurzelknollen bis vier Kilo schwer werden. Durch die Tide entstanden riesige Mangrovenwälder.
Das Geräusch der Tropfen, die vom Paddel herabfallen, ist wie ein Metronom. Faul sind wir seit Tagen, genusssüchtig und verspielt wie Kinder, die offenen Mundes eine neue Welt entdecken – die wunderbare Natur der Tropen, die auch heute noch ein Robinson-Leben zulässt. Nur schwer können wir uns an bayerischen Nebel und Nieselregen im Februar zurück erinnern. Wir finden jeden Tag „unseren Strand“, „unsere Bucht“, „unsere Felswände“, „unsere Palme“… Wir sind wir frei, nur wenig eingeschränkt durch Ebbe und Flut, die regelmäßig unsere Buchten trockenfallen lassen oder überfluten, und begrenzt durch Essens- und Wasservorräte.
Die See, durch die wir unser Kajak treiben, ist alles andere als menschenleer. Aber nur wenige der kleinen Inseln sind bewohnt. Im flachen Meer der großen Lagune herrscht reges Leben und Treiben. Moderne Motorboote und archaische hölzerne Auslegerboote mit hohen wellenbrechenden Steven quirlen durch das Meeresbecken. Aber auch moderne Jachten, die vor allem japanische Touristen zu den „schönsten Tauchgründen der Erde“ bringen.
Meist sind es nur winzige Strände vor himmelhohen Felswänden, auf denen wir unser Zelt aufschlagen. Regelmäßig, man kann die Uhr danach stellen – sechs Stunden auflaufendes Wasser, die Flut. Sechs Stunden später fließt das Meer wieder aus der Bucht in den Ozean hinaus, die Ebbe.
Wir pullen durch einen unvorstellbaren Reichtum an Naturschönheiten. Zwischen zwei Inseln, die einen hundertmeterhohen Canyon mit senkrechten Felsflanken bilden, schwimmt unser winziges Kajak, von Rudern geschoben und von der Ebbe gezogen. Die Rock Islands, die sich von der Hauptinsel Koror bis nach Peleliu im Süden erstrecken, sind ein Weltwunder. Champignongeformte Kuppen, mit Bäumen, Sträuchern und Lianen bewachsen, steilen aus dem smaragdgrünen Meer. Sie sind Teile eines angehobenen Riffs, das im Laufe der Jahrtausende verwitterte. Eine scheinbar unberührte Welt ist noch zu entdecken. Die „Pazifische Perle“, hat sich als erste Pazifik-Nation mit verbindlichen Richtlinien einem verantwortbaren Tourismus verpflichtet. Das Credo: Fremdenverkehr im Einklang mit Mensch und Natur.
Wow! Palau – Nonplusultra in der Südsee
Das Gluckern der Wellen wird vom rasenmäherartigen Geräusch eines Motor übertönt. Ein Fischer fährt seine bescheidene Holzwanne in Richtung der an der Kimm sichtbaren Holzpfähle, die durch Netze und die Gezeiten eine prächtige Fischfalle bilden. Wir lächeln ihn an. Er grinst und tuckert längsseits. In der Südsee wird viel gelacht. Unsere Zeichensprache ist eingespielt, der einfache Mann kann kein Englisch, was auf den Inseln selten ist. „Alii“ sagt er, das heißt „Willkommen“, und nickt zustimmend. Wir zurren die Boote Bug an Bug fest und wechseln über. Mit übergeschlagenen Füßen lassen wir uns den Fahrtwind um die Nasen wehen. Mit Hilfe unserer provisorischen Seekarte und einer Menge Gestik erklären wir unsere Reiseroute: „Koror, Ngermeaus, Mecherchar, Omekang, Ngercheu, Pelileu.“ Er kapiert, nickt respektvoll und nimmt die internationale Währung, eine Zigarette, mit einem „Thanks“ entgegen. Der Fischer drosselt den schwachen Motor bei den Stangen im Wasser, an denen die Netze verankert sind. Hier ist sein Arbeitsplatz. Ingrid bedankt sich artig. Der Weg zum Verständnis des Landes und seiner Menschen ist schmal und heikel. Eines jedoch hilft immer und überall: Freundlichkeit und ein Lächeln. Wir klettern ins Kajak, winken und lassen uns mit der Flut zur nächsten Küste ziehen. Der „Anhalter“ hat geklappt.
Ein Flugzeugwrack schimmert im klaren Wasser. 1783 lief das Schiff Antelope auf seinem Weg nach China auf Grund, und aus diesem purem Zufall entdeckte Captain Henry Wilson die Inseln. Wer weiß schon, dass Palau von 1899 bis 1914 unter deutscher Kolonialherrschaft stand? Die Inseln wurden vom Kaiser an Japan verkauft. Im 2. Weltkrieg dröhnten Kampfflieger über die Rock Islands. Die blutigste aller Pazifikschlachten wurde hier mit den Amerikanern ausgetragen. Die Amis konnten sie 1944 für sich entscheiden. Zwischen den Relikten des Kriegswahnsinns tummeln sich bunte Fische, und Kanonen rosten im Urwald. Wracks und Geschütze sind auf den Inseln allgegenwärtig. Die historischen Zeugnisse haben oft ihr eigenes Ökosystem entwickelt.
Wir dösen in der Mittagshitze und genießen wieder einmal eine – unsere! – einsame Insel. Ein Strand wie aus dem Bilderbuch, mit Sand allerfeinster Sorte, einer schützenden Grotte gegen die tropischen Schauer, himmelhohen Felswänden und einem Dschungel, in dem unzählige Vögel lärmen. Die gleichmäßigen, geschlängelten Riefen im feinen Höhlensand habe ich Ingrid verschwiegen. Was sollte uns eine zweifingerdicke Schlange auch antun? Das Reptil hatte sicher mehr Angst vor uns, als wir vor ihr, obwohl auf den Palau-Inseln auch eine der giftigsten Spezies des Globus vorkommen soll.
Salzwasserkrokodile und der Vogel Biib
Die Fauna sucht ihresgleichen. Die Zahl der Vogelarten ist Legion. Riesenschildkröten schieben sich über den Strand, und Affen bevölkern die Insel Angaur. An der Ostseite des durch ein Riff geschützten Eiland Babeldaob mit seinem fast hundert Kilometer langen Sandstrand soll es noch die bis zu zehn Meter langen Salzwasserkrokodile geben. Eindringlich warnte man in Koror vor dem von uns dort projektierten Kanutrip. 50 Arten von Strandvögeln hüpfen über den Sand. Der bunte Paradiesvogel fällt besonders auf. Nationalvogel ist der Biib, eine Taubenart. Riesenschildkröten legen am Strand ihre Eier ab.
Makaken, Affen, hüpfen durch die Baumkronen. Kakadus und Papageien verbreiten einen Höllenlärm. Riesige Fledermäuse segeln in der klaren Nachtluft.
Die Unterwasserwelt gehört zum Spektakulärsten, was die Evolution hervorgebracht hat, sie gilt als die prächtigste der Erde! Über 1.400 Fischarten, 700 verschiedene Korallen und Seeanemonen, die Riesen-Venusmuschel und Seekühe leben inmitten der Lagune des Barriere-Riff. Wir paddeln über Schwärme von Drückerfischen, Schnappern, Schmetterlingsfischen und Barrakudas. Zackenbarsche treiben träge neben gelben Napoleonfischen, und manchmal entdecken wir einen Riffhai.
Mantas „fliegen“ vorbei. Riesenmuscheln, die bis 450 Kilo schwer werden können, können ihr Fleisch blitzschnell von Tiefblau nach Rot umfärben, dann wieder ins Grüne – ein Floureszieren in allen Farben. Taucher schätzen das glasklare Wasser, die Korallenformationen und die vielfältige Unterwasserwelt, die Palau zu einem der „sieben Unterwasserweltwunder“ gemacht hat.
Wir werden bei jeder Rast zu Aquanauten. Im Wasser liegen, sich wiegen zu lassen, unter sich farbenprächtige Fische in Schwärmen. Die Unterwassersicht ist mit 70 Metern schier unglaublich. Vor allem bei den „Drop Offs“, wo das Korallenriff von Knietiefe mehrere hundert Meter abrupt abfällt, tummelt sich eine unbeschreibliche Unterwasserwelt. Jean-Jacques Cousteau deklarierte den 300 Meter tiefen Ngemelis Drop Off als die weltweit beste Tauchwand. Ein schwarzer Stachelrochen schwebt ungerührt an uns vorbei. Gestern erklärte mich Ingrid für verrückt, als ich mit der Kamera in der Hand der Dreiecksflosse im knietiefen Ebbewasser nachjagte: ein Riff-Hai hatte sich verirrt.
Wir schnorcheln an spektakulären Steilwänden, die hunderte Meter abrupt in die Tiefe abfallen, schwimmen zwischen Schwärmen buntester Fische, beobachten durch die Gläser der Tauchbrille schwebende Rochen von Zimmergröße und erkunden farbige Korallenfelder. Beim täglichen Schnorcheln geht der Alltagsstress auf Tauchstation.
Wir sind uns selbst genug, und unser ereignisloses Leben hat sich auf den sanften Konsum von Natur und Paradies eingependelt. Nichts wünschen wir uns, fast nichts. Nur Bier ist ein ferner Traum. Gegen den Durst gehen wir das Risiko ein, erschlagen zu werden und trauen uns unter die Kokospalme. Junge grüne Früchte liegen im puderigen, weißen Sand. Wir schlürfen die ambrosische Milch und schauen faul auf 200 Kalksteineilande, grüne Inselpilze in der blauschattierten Lagune. Sie sind fast alle unbewohnt
Betelnüsse und Hummerkrabben
Wir treiben das Kajak durch ruhige Kanäle, vorbei an schwarzen Höhlen und grün überwucherten Felsformationen, wischen uns die Schweißtropfen von der Stirn, die vom senkrechten Glutball kommen, sind müde, haben Hunger und diskutieren voller Respekt die Strecke offenen Meeres, die wir morgen überwinden wollen.
Ein Biwakfeuer brennt, und das ohrenbetäubende Zikadenkonzert wird nur durch drei Boote unterbrochen, die zielstrebig unseren Strand ansteuern. Ich verwünsche meinen Leichtsinn, das Zelt nicht besser versteckt zu haben, lege die Rettungsraketen bereit, die Angreifer abwehren sollen, verstecke das große Survivalmesser, so dass ich es blitzschnell aus der Scheide ziehen kann und komme mir in dieser Situation kein bisschen lächerlich vor. Wir paddeln abseits der staatlichen Autorität und niemand weiß, wo wir sind. Gegen die sechs Männer habe wir im Ernstfall keine Chance, aber die Handgriffe sind beruhigend.
Ein hölzerner Anker fliegt in den Sand, die flachen Kiele der Boote knirschen auf den Strand. Verwegene Gestalten in engen Wickelröcken springen ins knietiefe Wasser. Auf die Fersen gelehnt, hocken sich die Fischer um unser glimmendes Feuer, versuchen Konversation. „Woher, wohin? Damit?“ Sie lachen und zeigen schwarz gefärbte Zähne. Sie kauen Betel und spucken zielsicher einen dunklen Speichelstrahl an den Fuß der Kokospalme. In Palau betelt fast jeder, immer und überall, und wölbt eine dicke Backe, gefüllt mit einer halben Nuss, garniert mit Kalk und einer halben Zigarette: Palau-Doping. Die sanfte Droge rötet die Schleimhäute und zerfrisst die Zähne zu braunen Stümpfen. Stolz, Freundlichkeit und Wohlwollen sprechen aus den Gebärden. Wir wundern uns, dass ein Fischer ein Armband aus den Wirbeln der Seekuh trägt – das steht nach altem Brauch nur Häuptlinge an. Sechs Steinkrabben streckt die einzige Frau unter ihnen Ingrid zu, prächtige, zwölf Zentimeter breite Exemplare. Aufgeblasenen Backen machen ihr Gesicht noch buddha-ähnlicher, als sie unser Feuer anbläst und die Schalentiere in der Glut gart.
Das Schäkelmesser beschäftigt Ingrid über Stunden, als sie den gegarten Köstlichkeiten durch die harten Panzer „auf den Grund“ geht. Lachend heben die Fischer unser schnittiges Kajak an und probieren die Paddel aus. Fröhlichkeit erfüllt unsere einsame Bucht. Wir sind einer der ihren, haben zwar ein eigenes Boot, sind aber offensichtlich so arm, dass wir uns keinen Motor leisten können, leben wie sie am und vom Meer. Und inmitten einer fantastischen, prähistorischen Landschaft.
Stunden später ist der Spuk vorbei. Die Holzkähne fahren ins glitzernde Gegenlicht der silbrigen Wellen und hinein in die sinkende Sonne.
Lagune der Trauminseln
Die waldüberzogenen Inseln schwimmen manchmal wie eine Fata Morgana überm Horizont. Ob diese einfachen Seeleute realisieren in welchem Paradies sie leben? Und wie gefährdet es ist? Angeschwemmte Plastiktüten, Flaschen und Gummiteile räumen wir vor jeder „Inbesitznahme“ eines Strandes beiseite. Es ist noch nicht viel Abfall – aber er ist schon da! Die Inseln sind zweifelsohne ein Paradies, aber ein gefährdetes, manchmal mit Motorbootlärm, einem wachsenden Tauchtourismus und starkem westlichem Einfluss.
Wir paddeln über einen scharfen Korallengarten, den Kokospalmen und dem nächsten blendend weißen Strand entgegen, der in Mangrovenwälder übergeht und mit dem Dschungels zerfließt. Bäume tragen immergrüne Lederblätter und stehen auf weitverspreizten Stelzwurzeln. Der in Jahrmillionen gewachsene Kompost aus toten Blättern und faulem Holz, bringt in diesen Breiten die Hälfte aller Pflanzenarten des Erdballs zum Wachstum – ein Experimentierfeld der Natur.
Die roten, glattgewaschenen Felsen mit den winzigen Sandstreifen sind ein landschaftlicher Höhepunkt. Wie gerne würde Ingrid bleiben, denn die Paddelei in der Tropensonne macht müde. Doch unser Feind ist die Flut. Hier können wir nicht gefahrlos lagern, ohne von Wasser eingeschlossen und vielleicht überspült zu werden. „Kein Paradies ohne Dornen!“ ist unser ständiger Spruch.
Der Bug des Kajaks schiebt sich um eine Felsenecke – und plötzlich sind wir nicht mehr allein. Eine intenational gemischte Kajakgruppe hat einen Tagestrip von Koror gebucht. Sie wurde mit einem Motorboot hierher gebracht, und nun erkunden sie die schönsten Strände, schnorcheln in winzigen Fjorden und touren offenen Mundes durch die Felswildnis. Kajakfahren erfreut sich auf den Inseln zunehmender Beliebtheit.
Tagelang lässt es sich in einer der zahllosen Lagunen und Buchten paddeln – ohne ein Anzeichen dafür zu finden, dass je ein menschliches Wesen vorher hier war. Da ist die blonde Trudy, Australierin, die es als Guide hierher verschlagen hat. Oder der amerikanische Arzt mit seiner drallen Frau, der im Spital von Koror seinen Dienst macht. Weiterhin ein britischer Taucher, der auch mal über Wasser Attraktionen sucht. Wir freuen uns über das Bier „an Bord“, und paddeln einen halben Tag mit der Gruppe. Trudy zeigt uns einige eindrucksvolle Höhlen.
Kühne Seefahrer im Kanu
Welchen Mut entwickelten die früheren Palauer mit ihren besegelten Auslegerkanus? Mit ihren Nussschalen wagten sie sich hinaus auf das ungeheuer weite Meer. Der Atlantik ist eben nur der „Große Teich“, und alle Meere sind gegenüber dem Stillen Ozean nur Pfützen.
Schon 3000 v.Chr. waren die größten Inseln Palaus besiedelt. Man segelte weiter und weiter, ostwärts, bis Polynesien und Mikronesien, aber auch Tahiti und Hawaii entdeckt waren.
Ein Wasserfahrzeug anderer Art auf Palau: Küstenfischer auf einem kleinen Floß
In der Vergangenheit drehte sich alles um das Kanu. Es war das wichtigste Fortbewegungsmittel. Die Menschen lebten fast ausschließlich an den Küsten, und für jeden Anlass gab es das passende Boot: vom schnittigen Kriegskanadier bis zu den massigen „Kaeb“-Kanus. Die Auslegerboote trugen die Bewohner von Insel zu Insel. Heute beherrschen nur noch Wenige die Kunst des Kanubaus, aber Bootskonstruktion und Paddeln sind im Aufwind. Ein Kajakverleih in Koror will „Outrigger“ mit traditionellen Mitteln nachbauen und touristisch einsetzen.
Das schwerste Geld der Welt
Alles in Palau dreht sich seit jeher um „Money“. Früher war es das unförmige, mühlradgroße Steingeld, das aus Argonitfelsen gebrochen und auf schwankenden Kanus bis zum weit entfernten Inselstaat Yap transportiert wurde. Das „Kleingeld“ hatte einen Durchmesser von eineinhalb Metern. Aber man zahlte auch mit eleganten Halsketten, oder auch Armschmuck aus Schildkrötenpanzern, aus Schildpatt gearbeitete gravierte Scheiben, oder auch mit Muschelketten. Und heute mit Dollarnoten! Ohne Greenbacks ist man in Belau aufgeschmissen.
Nach einem anstrengenden Paddeltag steht unser Zelt mit der unpassenden Aufschrift „Extremtest Vogeley“ auf einem schmalen Sandstreifen zwischen Wasser und Urwald. Nur wenige Meter vom weißen Sandstrand liegt ein Korallenriff voller exotischem Leben. Dicht lehnen wir aneinander und erleben schweigend, wie die Berge im Westen sich verdunkeln und der Himmel kurz zu glühen beginnt. Dann steigt der Mond so hell über Melekok auf, wie wir es selten erlebten. Luna scheint nicht einfach, sondern gießt ihr Licht aus und überflutet das prachtvolle Panorama. Wir reden nicht – wozu auch?
Urplötzlich zieht ein Gewitter auf. Im Zelt ist es wie in einer Sauna. Schwere Tropfen prasseln auf das Überzelt. Der Schwüle kann man auch nackt nicht entrinnen. Dabei haben wir unsere Schlafsäcke gar nicht erst mitgenommen und schlafen in große Bettlaken gehüllt. Als der Platzregen vorbei ist, krieche ich hinaus und reiße die Plane herunter. Luft, wir atmen die herrlich frische, kühle Luft von plus 25 Grad gierig ein. Ingrid liegt zusammengerollt wie ein Igel auf ihrer Thermomatte, während ich im hellen Licht des zunehmenden Mondes am Strand sitze und misstrauisch die höher steigende Flut mit dem fluoreszierenden Plankton beobachte, die kaum einen Meter vor unserem Lager ihren Höchststand erreicht. Wir müssen uns unbedingt in Süßwasser waschen. Salz sitzt in der Kleidung, klebt am Körper und beginnt zu jucken.
In Koror erwartet uns gediegener Fünf-Sterne-Luxus im Hotel „Palau Pacific Resort“.
© 2000, Schwarz auf Weiss